Von Viktor E. Frankl:
- … trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager
- English: Man’s Search for Meaning
Weitere Bücher
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The Will to Meaning
In diesem Buch erklärt Frankl seine Theorie der Logotherapie und wie sie dazu beitragen kann, dass Menschen ihre Lebenskrise bewältigen und ein erfülltes Leben führen können.
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Man’s Search for Ultimate Meaning
Dieses Buch vertieft die Themen von “Man’s Search for Meaning” und “The Will to Meaning” und geht tiefer auf die Suche nach dem ultimativen Sinn des Lebens ein.
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Logotherapy and Existential Analysis
In diesem Buch wird die Praxis der Logotherapie und Existenzanalyse detailliert beschrieben und es werden verschiedene Techniken und Methoden zur Suche nach Sinn und Bedeutung im Leben vorgestellt.
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The Unheard Cry for Meaning
In diesem Buch geht Frankl auf die spirituelle Dimension der Suche nach Sinn und Bedeutung ein und wie sie dazu beitragen kann, dass Menschen ein erfülltes Leben führen können.
Interviews
Notes
P73
Ist es wirklich so, daß der Mensch nichts weiter sei als ein Produkt vielfacher Bestimmtheiten und Bedingtheiten, seien sie nun biologisch gemeint oder psychologisch oder soziologisch? Ist der Mensch also wirklich nicht mehr als das zufällige Resultat seiner leiblichen Konstitution, seiner charakterologischen Disposition und seiner gesellschaftlichen Situation? Und, im besonderen: zeigt sich an den seelischen Reaktionen des Menschen auf die besondere, sozial bedingte Umwelt des Lagerlebens tatsächlich, daß er den Einflüssen dieser Daseinsform, denen er gezwungenermaßen unterstellt ist, sich gar nicht entziehen kann? Daß er diesen Einflüssen unterliegen muß? Daß er »unter dem Zwang der Verhält- nisse«, der dort im Lager herrschenden Lebensverhältnisse, »nicht anders kann«?
P47
Ich erfasse jetzt den Sinn des Letzten und Äußersten, was menschliches Dichten und Denken und - Glauben auszusagen hat: die Erlösung durch die Liebe und in der Liebe! Ich erfasse, daß der Mensch, wenn ihm nichts mehr bleibt auf dieser Welt, selig werden kann - und sei es auch nur für Augenblicke, im Innersten hingegeben an das Bild des geliebten Menschen.
P74
Dostojewski hat einmal gesagt: Ich fürchte nur eines: meiner Qual nicht würdig zu sein.
P74
Erlebnis der Schönheit, im Erleben von Kunst oder Natur, sich zu erfüllen; sondern auch noch das Leben behält seinen Sinn, das - wie etwa im Konzentrationslager - kaum eine Chance mehr bietet, schöpferisch oder erlebend Werte zu verwirklichen, vielmehr nur noch eine letzte Möglichkeit zuläßt, das Leben sinnvoll zu gestalten, nämlich eben in der Weise, in der sich der Mensch zu dieser äußerlich erzwungenen Einschränkung seines Daseins einstellt. Das schöpferische wie das genießende Leben sind ihm längst verschlossen. Aber nicht nur schöpferisches und genießendes Leben hat einen Sinn, sondern: wenn Leben überhaupt einen Sinn hat, dann muß auch Leiden einen Sinn haben. Gehört doch das Leiden zum Leben irgendwie dazu - genau so wie das Schicksal und das Sterben. Not und Tod machen das menschliche Dasein erst zu einem Ganzen.
P77
Wenn vorhin davon die Rede war, daß der letzte Grund für die Deformierung der inneren Lebenswirklichkeit des Menschen im Konzentrationslager nicht in den aufgezählten psycho-physischen Ursachen liegt, sondern daß ihr letztlich eine freie Entscheidung zugrunde liegt, so soll dies im folgenden näher erläutert werden. Die psychologische Beobachtung an den Lagerhäftlingen hat vor allem ergeben, daß nur derjenige in seiner Charakterentwicklung den Einflüssen der Lagerwelt verfällt, der sich zuvor geistig und menschlich eben fallen gelassen hat; fallen ließ sich aber nur derjenige, der keinen inneren Halt mehr besaß! Worin hätte nun solch ein innerer Halt bestehen sollen und können? Dies ist jetzt unsere Frage.
P79
Die totale Entwertung der Realität, wie sie der provisorischen Existenzweise des Lagerhäftlings entspricht, verführt einen vollends dazu, sich gehen zu lassen, sich fallen zu lassen da ja ohnedies >>alles zwecklos<< sei. Solche Menschen vergessen, daß oft gerade eine außergewöhnlich schwierige äußere Situation dem Menschen Gelegenheit gibt, innerlich über sich selbst hinauszuwachsen. Statt gerade die äußeren Schwierigkeiten des Lagerlebens zu einer inneren Bewährungsprobe zu gestalten, nehmen sie das gegenwärtige Dasein nicht ernst, sie entwerten es zu etwas Uneigentlichem, vor dem man sich am besten verschließt, indem man sich nur mehr mit dem vergangenen Leben abgibt.
P83
Wir müssen lernen und die verzweifelnden Menschen lehren, daß es eigentlich nie und nimmer darauf ankommt, was wir vom Leben noch zu erwarten haben, vielmehr lediglich darauf: was das Leben von uns erwartet!
Wir sagten vorhin, jeder Versuch, die Menschen im Konzentrationslager innerlich wieder aufzurichten, setze voraus, daß es uns gelingt, sie auf ein Ziel in der Zukunft hin auszurichten. Die Devise nun, unter der alle psychotherapeutischen oder psychohygienischen Bemühungen den Häftlingen gegenüber stehen mußten, ist vielleicht am treffendsten ausgedrückt in den Worten von Nietzsche: >> Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie. «
Man mußte also den Lagerinsassen, sofern sich hier und da einmal die Gelegenheit hierzu bot, das Warum« ihres Lebens, ihr Lebensziel, bewußt machen, um so zu erreichen, daß sie auch dem furchtbaren des gegenwärtigen Daseins, den Schrecken des Lagerlebens, innerlich gewachsen waren und standhalten konnten. Umgekehrt: wehe dem, der kein Lebensziel mehr vor sich sah, der keinen Lebensinhalt mehr hatte, in seinem Leben keinen Zweck erblickte, dem der Sinn seines Daseins entschwand und damit jedweder Sinn eines Durchhaltens. Solche Leute, die auf diese Weise völlig haltlos geworden waren, ließen sich alsbald fallen. Die typische Redewendung, mit der sie allen aufmunternden Argumenten entgegentraten und jeglichen Zuspruch ablehnten, lautete dann immer: »Ich hab ja vom Leben nichts mehr zu erwarten.<< Was soll man demgegenüber nun erwidern?
P94
So tritt man in die Natur hinaus und in die Freiheit. >>In die Freiheit«, sagt man sich vor und wiederholt man in Gedanken immer wieder; aber man kann es einfach nicht fassen. Das Wort Freiheit war in den jahrelangen Sehnsuchtsträu- men schon zu sehr abgegriffen und der Begriff zu sehr verblaßt; mit der Wirklichkeit konfrontiert, zerfließt er. Die Wirklichkeit dringt noch nicht recht ins Bewußtsein ein: man kann es eben einfach noch nicht fassen.
Da kommt man zu einer Wiese. Da sieht man blühende Blumen auf ihr. Man nimmt dies alles zur Kenntnis, aber - nicht zum Gefühl«. Der erste kleine Funke von Freude sprüht auf, sobald man einen Hahn bemerkt, der prächtige vielfarbige Schwanzfedern hat. Aber es bleibt bei einem Freudefunken, und noch hat man nicht teil an der Welt. Dann setzt man sich unter einen Kastanienbaum, auf eine kleine Bank; weiß Gott, welchen Ausdruck da das Gesicht annimmt -, jedenfalls: noch macht die Welt keinen Eindruck.
Nach der Befreiung:
Abends, wenn die Kameraden in ihrer alten Erdhütte wieder zusammenströmen, kommt einer zum andern und fragt ihn heimlich: »*Du, sag einmal, hast du dich heute gefreut?<< Und einer sagt dem andern und fühlt sich noch beschämt, weil er noch nicht weiß, daß es jedem so ergangen »Offen gesagt: nein!«… Man hat es buchstäblich verlernt, sich zu freuen, und man wird es erst wieder lernen müssen*.
P97
Für solche primitiven Menschen hat sich eigentlich nichts als das Vorzeichen der alten Kategorie geändert, es ist aus einem negativen ein positives geworden: aus den Objekten von Macht, Gewalt, Willkür und Unrecht sind die entsprechenden Subjekte geworden; aber sie haften eben noch an dem, was sie erlebt haben.
Dies äußert sich oft in belanglos erscheinenden Kleinigkeiten. Wir gehen z.B. querfeldein, ein Kamerad und ich, dem Lager zu, aus dem wir vor kurzem befreit wurden; da steht plötzlich vor uns ein Feld mit junger Saat. Unwillkürlich weiche ich aus. Er aber packt mich beim Arm und schiebt mich mit sich mittendurch. Ich stammle etwas davon, daß man doch die junge Saat nicht niedertreten soll. Da wird er böse: in seinen Augen zuckt ein zorniger Blick auf, während er mich anschreit: >>Was du nicht sagst! Und uns hat man zu wenig genommen? Mir hat man Frau und Kind vergast - abgesehen von allem andern und du willst mir verbieten, daß ich ein paar Haferhalme zusammentrete…«
Nur langsam kann man diese Menschen zurückfinden lassen zu der sonst doch so trivialen Wahrheit, daß niemand das Recht hat, Unrecht zu tun, auch der nicht, der Unrecht erlitten hat. Und doch müssen wir daran arbeiten, diese Menschen zu dieser Wahrheit zurückfinden zu lassen