- 2023-08-24 ◦ LdN343 Spezial: Jochem Marotzke, Klimaforscher – Lage der Nation
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Note 1
Ulf:
Okay, das heißt also, man kann sich das so vorstellen, als wenn diese höhere CO2 Konzentration in der Atmosphäre so eine Art Spiegel bildet, sodass diese Wärmestrahlung gleichsam auf der Erde gefangen bleibt. Kann man das so beschreiben?
Jochen Marotzke:
Ich vermeide gerne das Wort Spiegel, denn Spiegel strahlt nur in eine Richtung. Was wir wirklich haben das CO2 absorbiert, verschluckt das und sendet es dann nach oben und nach unten. Auch ein Spiegel strahlt ja nur in eine Richtung zurück.
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Note 2
Ulf:
Reden wir doch noch mal ganz kurz über diese Grad Angaben. 1,5 Grad Erwärmung oder auch zwei Grad Erwärmung. Das klingt ja erst mal nicht so viel. Also wir erleben das im Tagesverlauf, wenn man da auf sein zum Beispiel auf seine Wetter App guckt. Na da zeigt mir das iPhone in der Nacht zwölf Grad tagsüber 29, das sind dann irgendwie 17 Grad Differenz. Das heißt also, in unserer Lebenserfahrung reden wir über ganz andere Temperaturspannen. Und da haben viele Menschen, so glaube ich, so ein bisschen ein Problem damit, sich vorzustellen, ob anderthalb oder zwei Grad wirklich relevant sind. Was ist denn Ihre Perspektive darauf? Warum sind diese Zahlen so gravierend?
Jochem Marotzke:
Ich glaube, da hilft ein Blick in die jüngere Erdgeschichte. Der Höhepunkt der letzten Eiszeit vor ungefähr 20.000 Jahren ganz Nordeuropa war von Eispanzer bedeckt, Ganz, ganz Nordamerika. Bis in den mittleren Breiten der heutigen USA war man vom Eispanzer bedeckt. Also wirklich dramatisch anderes Klima als heute. Und wenn man dann fragt im globalen Mittel, um wie viel kälter war die Oberflächen oder wie viel niedriger war die Oberflächentemperatur als heute, dann sind es ungefähr sechs Grad. Das wissen wir relativ gut.
Philip:
Und die haben dazu geführt, dass quasi die halbe Welt vom Eis bedeckt war.
Jochem Marotzke:
Nur sechs Grad. Das heißt also klar lokal vor Ort, Tag und Nacht, Jahreszeiten zwei Grad unter Freunden ist ja nix. Aber im globalen Mittel und längerfristig gesehen sind zwei Grad 1/3 von dem Unterschied zwischen dieser dramatischen letzten Eiszeit und dem, was wir heute haben. Und dann wird, glaube ich, wenn man diesen Vergleich anstellt, wird einem klar: zwei Grad ist gar nicht so wenig. Es ist nicht der Unterschied komplett zur Eiszeit, aber ein Drittel davon.
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Note 3
Ulf:
Vielleicht kann man da, wo Sie das gerade so schön sagen, Vielleicht kann man da einfach noch mal kurz diesen Unterschied erklären zwischen Wetter und Klima. Das ist ja auch was, was vielleicht gar nicht allen Menschen so klar ist. Sie haben diesen Gegensatz ja gerade so verwendet. Was ist denn der Unterschied zwischen Wetter und Klima?
Jochem Marotzke:
Klima ist die Statistik des Wetters. Also wir schauen uns ganz viele Wetterereignisse an und schauen dann was ist die Statistik? Was haben wir also im Mittel über 20, 30 Jahren für eine Temperatur? Wie viel Niederschlag gibt es aber auch in einem 20 Jahres Zeitraum: was ist denn so das stärkste Niederschlagsereignis? Und ändert sich das, werden Starkniederschläge stärker? Das ist aber gar nicht so leicht. Wenn ich heute von einer Überflutung betroffen werde, dann ist das wie ein Schlag mit dem Hammer. Aber das ist ein seltenes Ereignis. Passiert vielleicht alle 50 Jahre einmal. Und ob das jetzt häufiger stattgefunden hat, ist extrem schwer zu sagen. Etwas, was an sich alle 50 Jahre passiert. Er müsste ja eigentlich ein paar Jahrhunderte beobachtet haben, um zu sagen: Oh, das trifft jetzt heute häufiger zu als früher und und das macht es so schwer. Was uns trifft, was uns Menschen trifft, sind diese Extremereignisse, und deren Änderung ist sehr, sehr schwer festzustellen.
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Note 4
Philipp:
Wir erleben heiße Sommer in Mitteleuropa, die offensichtlich damit zusammenhängen, dass auch Wetterphänomene Hochs, Tiefs sehr stationär sind, sich nicht mehr so bewegen. Sind das Erlebnisse, die auf eine wirkliche fundamentale Änderung dieser Klimamechanik global hindeuten? Ist das neu?
Jochem Marotzke:
Einige Sachen die wir sehen, sind klar auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen. Bei anderen wissen wir es einfach noch nicht. Ein ganz klares Beispiel, wo ohne globale Erwärmung das nicht passiert wäre, ist die Hitzewelle in Kanada vor zwei Jahren. Wir hatten im Westen Kanadas diese Rekord Temperatur von 49,4 Grad. Das lag vier Grad über dem vorherigen Rekord. Und ein solcher Sprung ist enorm und wäre auch ohne den Menschen mit menschlichen Effekt nicht denkbar. Bei der Frage wenn die Tiefdruckgebiete festsitzen. Ja mitunter streitet sich auch die Fachwelt. Es gibt Veröffentlichungen, es gibt Arbeiten, die sagen: Ja, das wird passieren. Wenn der durch den menschengemachten Klimawandel, dann wandern die langsamer. Aber es gibt auch Gegensätze-Studien, die sagen, wir finden diesen Effekt nicht. Und was das angeht, wenn man ehrlich ist, wir wissen es einfach noch nicht. Es könnte sein, dass so was häufiger passiert ist. Überhaupt nicht auszuschließen. Aber wir wissen es einfach noch nicht. Und da gibt es dann zum Teil auch in der Fachwelt eine Diskussion darüber, wie kommuniziert man denn so etwas? Und meine Haltung und auch die meines Institutes ist immer ganz klar zu sagen: Wenn wir es nicht wissen, dann sagen wir das auch. Das wird teilweise dann so gesehen, als als ob wir dem Fortschritt im Sinne von Wir müssen doch den Klimawandel bekämpfen, als ob wir dem im Weg stehen. Aber wir finden, wenn wir es nicht wissen, dann müssen wir es benennen. Und das ist auch so, wie der Weltklimarat IPCC vorgeht. Wenn es widersprüchliche Veröffentlichungen gibt, dann wird das aufgedröselt und es wird gesagt: Hier wissen wir es einfach noch nicht. Hier gibt es alles ernst zu nehmende Arbeiten. Die widersprechen sich und wir wissen heute noch nicht, was die Wahrheit ist.
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Note 5
Philip:
Wo wir jetzt bei den Ozeanen sind. Oder willst du noch was genau machen? Also wo wir bei den Ozeanen sind. Vielleicht können Sie ja mal so ein bisschen erklären, welche Rolle die Ozeane spielen für das Klima und dann auch, welche Rolle diese gemessene Erwärmung der Ozeane spielt für das Klima. Wie ist das so die Mechanik, die groben Zusammenhänge?
Jochem Marotzke:
Zunächst mal ist es so, dass der Ozean uns einen gewaltigen Service leistet, uns, der Menschheit. Der Ozean nimmt nämlich zwei Sachen auf. Das eine ist, der Ozean nimmt CO2 aufnimmt, ungefähr 1/4 des von Menschen emittierten CO2s auf. Und das bedeutet: Der Ozean dämpft den Klimawandel. Denn wäre der Ozean nicht da, wäre noch mehr CO2 in der Atmosphäre. Der Klimawandel würde schneller vorangehen. Der Ozean nimmt aber auch die Wärme auf. Das ist auch ein Puffer. Der Effekt ist Form von der Physik, ähnlich wie das, was wir kennen, wenn wir in einem maritimen Klima leben wie in Westeuropa, sind die Jahreszeiten nicht so ausgeprägt. Wenn wir in einem kontinentalen Klima leben wie in der Mitte von Sibirien, ist es extrem. Sommer sind sehr heiß, Winter sind extrem kalt und insofern puffert der Ozean noch mal ab. Also er dämpft die Erwärmung eine Zeit lang und er nimmt CO2 auf. Also insofern verlangsamt der Ozean die menschengemachte Klimaerwärmung, aber der Ozean zahlt auch einen Preis dafür. Durch das CO2 versauert der Ozean. Das greift dann wieder Lebewesen an, die im Ozean leben und der Ozean wird durch die Erwärmung dicker. Er dehnt sich aus und der Meeresspiegel steigt. Das heißt also, der Ozean liefert uns einen Service, aber er zahlt einen Preis dafür. Und wir dann letztlich auch. Denn der Meeresspiegelanstieg beeinträchtigt dann natürlich auch die Menschen, die an den Küsten leben.
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Note 6
Jochem Marotzke:
Dauerfrostboden. Ja, teilweise taut auch gar nicht auf und in diesem gefrorenen Boden ist sehr viel Kohlenstoff gelagert, zum Teil in der Form von Methan. Methan ist auch ein wichtiges Treibhausgas pro Molekül, wirkmächtiger als Kohlendioxid, als CO2. Und dann ist dann eben dieses Bild: Der Permafrost taut auf, es kommt Methan, kommt CO2 raus, sind Treibhausgase, verstärken den Treibhauseffekt und schwupps gibt es dieses Bild der Methan Bombe und eine galoppierende Klima Instabilität. Und so weiter. Und dazu muss man sagen zwei Sachen. A) Ja, dieser Effekt ist da und es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass Auftauen der Permafrost den Klimawandel verstärkt. Aber man muss sich anschauen, wie stark ist denn dieser Effekt? Und dann, das steht auch im letzten Sachstandsbericht des IPCC, das ist vielleicht ein 5 % Effekt. Es ist völlig ausgeschlossen, dass der Permafrost dazu führen kann, dass das Klima komplett weg galoppiert. Und der Grund, und das können wir auch wirklich mit Zahlen belegen liegt daran: Es gibt einen Effekt auf der Erde, der das ganze Klima im Gleichgewicht hält. Und das ist das ganz Schlichte: Wenn die Erde wärmer wird, strahlt sie mehr Energie in den Weltraum aus und mehr Energie, die die Erde verlässt, ist ja ein kühlende Effekt. Und dieser Effekt, der ist ungefähr 40 mal so stark, wie die verstärkende Wirkung des Permafrost ist. Das heißt der Auftauen, der Permafrost. Er macht, er verstärkt den Klimawandel aber nur ein kleines bisschen. Und man muss sich wirklich keine Sorge darüber machen, dass das Methan, was da rauskommt, irgendwas Gewaltiges mit dem Klima tun würde.
Philip:
Ist das Konsens in der Klimaforschung?
Jochem Marotzke:
Absolut. Das steht im letzten Sachstandsbericht des IPCC. Da sind diese Zahlen gegeneinander gestellt. Und ich habe hier in unserem Bericht, den wir in Hamburg im Februar vorgestellt haben, habe ich das noch mal extra nebeneinander gestellt, weil auch viele aus der Klimaforschung die, die nicht die unmittelbare, so diese theoretischen Sachen machen, sondern viele, auch Klimaforscher um mich herum völlig verblüfft, als sie das hörten. Aber in der Klimaforschung ist das völlig klar. Der Permafrost verstärkt, aber der Effekt ist nicht sonderlich stark.
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Note 7
Jochem Marotzke:
Ja, es gibt natürlich diese Überlegungen. Ich bin sehr, sehr skeptisch und vielleicht auch im Gegensatz zum Abfangen von CO2. Das hat den großen Vorteil, dass das Problem noch ziemlich nah an der Wurzel angeht, nämlich die CO2 Konzentration entweder zu verringern oder damit oder dazu zu führen, dass sie nicht steigt. Wenn ich die Sonneneinstrahlung reduzieren will und Vulkane machen uns ja auch vor, wie es im Prinzip geht, dann habe ich eine Reihe von Problemen. Das eine ist, die Effektivität ist noch immer nicht geklärt. Wir haben das in Modellen durchgerechnet, aber wir wissen auch, dass wir, was diese Elemente angeht, den Modellen selber nur sehr mäßig trauen. Also ob die wirklich die Effektivität haben, ist das eine Problem. Das zweite Problem ist, wir sind ziemlich sicher, dass wir nicht gleichzeitig Temperatur und Niederschlagsmuster auf das, wenn man will vorindustrielle Niveau zurückfahren können. Wir verstehen sowieso schlecht, wie sich Niederschlag verändert. Und ich sehe beim großflächigen Einsatz von Aerosolen, wie die Stoffe heißen in der Stratosphäre der oberen Atmosphäre sehe ich ein gravierendes politisches Problem. Es scheint so zu sein, als ob reiche, mächtige Staaten unilateral so was durchführen können. Und wenn ich mir so durch spiele: die USA, nehmen wir das mächtigste Land der Welt, macht das und es verschieben sich Niederschlagsmuster etwa in Russland oder in der Ukraine, so dass da, wo früher extrem viel Getreide wuchs, jetzt zu wenig ist und die Ernte zurückgeht. Dann kann ich nicht anders, als zu erwarten, dass so etwas zu einem massiven politischen Konflikt führt. Und wir wissen, glaube ich, alle durch Unterlassen etwas nicht zu tun. Dann mag mir auch schon jemand Böses sein. Und Mag mich heftig kritisieren, aber etwas aktiv zu machen und dann möglicherweise was anderes verursacht zu haben, das wird vermutlich eine viel handfestere politische Antwort erfahren, als einfach etwas nicht zu tun. Und von daher fürchte ich, dass wenn wenn diese Art von technischem Klimaschutz betrieben wird, dass es zu politischen Verwerfungen kommen wird, die möglicherweise in den Schatten stellen, was durch den Klimawandel selbst an politischen Verwerfungen passiert.
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Note 8
Philipp:
Also eins der klassischen Argumente der, ich sage mal Klimaschutz bremsenden in Deutschland ist: Liebe Leute, wir machen in Deutschland 2 % der globalen CO2 Emissionen aus. Die anderen, die hauen weiter auf die Sahne und erwärmen die Erde, als gäbe es kein Morgen im wahrsten Sinne des Wortes. Nun haben Sie mitgeschrieben an diesem IPCC Bericht. Stimmt das denn überhaupt, dass wir in Deutschland quasi die einzigen sind auf der ganzen Welt, die sich um CO2 Reduktionen kümmern? Was ist da Ihre Perspektive? Wie ist das in anderen Ländern auf der Welt?
Jochem Marotzke:
Stimmt natürlich, dass Deutschland für ungefähr 2 % der CO2 Emissionen verantwortlich ist, andererseits Deutschland ein mächtiger Mitspieler in der Europäischen Gemeinschaft. Die EU liegt schon bei etwas über 20 %. Die EU ist nicht mehr klein. Und es stimmt nicht, dass Deutschland das einzige Land ist. Im Gegenteil: Verglichen mit anderen Ländern und den skandinavischen Ländern, aber auch Großbritannien ist Deutschland der Emissionsreduktion ziemlich hinterher. Deutschland ist nicht mehr Avantgarde. Deutschland war mal Avantgarde im Erneuerbare Energien Gesetz. Dass also, wer ein Windrad im Garten hatte, dafür Geld bekam und dass das sicher war, das ist.
Jochem Marotzke:
Noch länger, deutlich länger über 20 Jahre. Das war eine Pioniertat von Deutschland, die auch in vielen anderen Ländern kopiert wurde. Heute ist Deutschland im Klimaschutz kein Pionier mehr. Deutschland bremst eher, könnte aber sehr viel mehr tun. Insofern Es passiert was. Und hier kommt aber auch bei der Frage, was passiert global? Da ist natürlich schon richtig, solange China seine Emissionen steigert, kann es sozusagen alle anderen erdrücken und auch alle anderen Emissionsminderungen zunichtemachen. Ist überhaupt keine Frage. Aber es passieren schon paar Sachen. China investiert enorm viel, auch in Erneuerbare. China investiert auch in Kohlekraftwerke. Aber auch in Erneuerbare. Und ich denke, da kommt vielleicht dann doch in dem Fall der Neidfaktor wieder rein, dass, wenn ein Land zeigt auch eins wie Deutschland, das mit Bodenschätzen nicht reichhaltig gesegnet ist, auch mit Fläche nicht. Wir müssten das im Verbund mit europäischen Nachbarn machen, mit Spanien, was Photovoltaik angeht. Aber wenn dann andere Länder und vielleicht auch China sieht, boah, den geht es aber gut damit, dann denke ich, besteht auch eine Chance, dass vielleicht auch China sich dann noch mal extra beeilt. Aber es ist schon klar, man, man muss es global sehen. Also man ist, es darf nicht sein. Deutschland darf nicht rein nationalstaatliche Lösungen verfolgen. Das kann nicht funktionieren. Und man darf sich auch nicht der Illusion hingeben, dass wenn wir wie in Deutschland, die alleine die Emissionen oder in der EU die Emissionen runterfahren nein, das reicht noch nicht. Es wartet noch immer dieser andere dicke Brocken. Auch im Verbund. Ja, vielleicht dadurch zu zeigen, es geht uns gut dabei, dass andere Länder das nachmachen wollen.
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2023-08-24